Henriette von Osterhausen

Fräulein von Osterhausen war von großer Schönheit und vornehmer Geburt. Sie war im Besitz eines beachtlichen Vermögens. Oft erschien sie bei Hofe und machte einiges Aufsehen, denn keine war so schön und so gut gewachsen wie sie. Sie war gefällig, edelmütig und wohltätig, liebte Prunk, Vergnügungen und Feste und hatte etwas sehr Herzliches in ihrer Art. Schon beim ersten Zusammentreffen bei seiner Gemahlin fühlte August eine tiefe Zuneigung zu ihr.

Anfangs besuchte der König Fräulein von Osterhausen nur heimlich aus Rücksicht auf ihren guten Ruf. Aber der Ehrgeiz der Mätresse und die Liebe des Königs ließen ihre Beziehungen am Hofe nicht lange geheim bleiben. Sie wollte als Mätresse respektiert werden. Durch ihren vornehmen Charakter war es ihr gleichgültig, welche Vorteile sie aus der Verbindung mit dem König hätte ziehen können. Sie war zufrieden mit der Liebe des Königs. Kleine Geschenke genügten ihr und nie verlangte sie etwas für sich. Aber auch der König war mit zunehmendem Alter gegen seine Mätressen sparsamer geworden und schenkte ihr im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen wenig.

Im Laufe der Zeit entfremdete sich der König seiner Mätresse und sah sie nur noch selten. Schließlich verließ er Dresden ohne sich von ihr zu verabschieden.

Da Fräulein von Osterhausen nicht auf das Hofleben verzichten wollte, lief ihr ganzes Bestreben darauf hinaus, die Gunst der Kurprinzessin zu gewinnen. Da sie glaubte, ihr Ziel eher zu erreichen, wenn sie katholisch würde, so legte sie ihren lutherischen Glauben in der Hofkapelle ab. Die Kurprinzessin sagte ihr aber, dass sie für ein oder zwei Jahre in ein Kloster gehen müsse und die Vorschriften der Religion befolgen müsse, die sie freiwillig gewählt habe. Schließlich ging sie nach Prag und fand bei den Ursulinerinnen in der Neustadt Aufnahme. Sie verbrachte aber nur die Nächte in der Klosterzelle. Am Tage nahm sie an allen Vergnügungen und Zerstreuungen der großen Welt teil.

Nach drei oder vier Monaten dieses mehr oder minder bußfertigen Lebens warb ein polnischer Edelmann um sie, Herr von Stanislawski, Kammerherr des Königs von Polen. Sie ließ ihn nicht lange darben, denn sie freute sich darauf, wieder nach Dresden zu kommen und am Hofe erscheinen zu können.